23.12.2019
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Dr. Stefan Rudolph, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg- Vorpommern, über die Facetten der Umsetzung der Landestourismuskonzeption in MV
Liebe Fachkolleginnen und Fachkollegen, liebe Leserinnen und Leser,
vor einem Jahr haben wir Ihnen die lebhaft diskutierte Landestourismuskonzeption Mecklenburg-Vorpommern erstmals öffentlich vorgestellt. Heute können wir festhalten: Die Branche hat sich auf den Weg gemacht. Das eingerichtete Umsetzungsmanagement soll als Impulsgeber, Steuerer, Koordinator, Controller, Netzwerker und Vermittler fungieren. Das Steuerungsgremium, bestehend aus Vertretern der Fachressorts und Verbände, hat die Arbeit aufgenommen. Das ist gut so.
Es wird darauf ankommen, bewusst am gleichen Strang und in die gleiche Richtung zu ziehen. Wenn Emotionen, Entsachlichung und Intransparenz ein erforderliches Bündeln von Ideen und Kräften zumindest erschweren, dann wird wertvolle Zeit verloren. Das ist nicht hinnehmbar. Unsere Tourismusbranche wird durch Dritte mit wachen Augen beobachtet. Darüber müssen wir uns im Klaren sein. Unser gemeinsamer Erfolg wird vom Miteinander und konstruktiven Handeln aller Akteure abhängen. Denkverbote verbieten sich.
Die künftige Finanzierung des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern ist ein aktuell zentraler Diskussionspunkt. Die Möglichkeiten zur Finanzierung stehen in den kommenden Jahren vor großen Veränderungen. Neben grundlegenden Marktveränderungen, wie beispielsweise die Digitalisierung des Vertriebs und die Individualisierung, werden auch die für die Investitions und Infrastrukturförderung bisher genutzten Strukturfonds der Europäischen Union einen grundlegenden Wandel erfahren.
Mit der Novellierung des Kurortgesetzes Mecklenburg-Vorpommern sowie der Anpassung des Kommunalabgabengesetzes muss die Landesregierung MV einen rechtlichen Rahmen für die Praxis setzen. Aufgabe ist es, gemeinsam mit den beteiligten Unternehmen, Kommunen und Interessenvertretungen die nicht mehr zeitgemäßen Normen in das 21. Jahrhundert der touristischen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern zu befördern.
Dass hier die EINE Lösung zu optimalen Bedingungen führt, wäre Wunschdenken. Aber festzuhalten ist: Der kleinteilige „Jeder für sich-Gedanke“ muss sich wandeln hin zu interkommunalen, freiwilligen und aktiven Zusammenschlüssen. Beteiligte und Betroffene sollten auf das gleiche Ziel hinarbeiten: lebenswerte Destinationen für Einheimische und Gäste nicht nur erhalten, sondern innovativ und qualitativ weiterentwickeln.
Bislang sind die Finanzierungsinstrumente, wie die gästebezogene Kurtaxe und die von Unternehmen zu entrichtende Fremdenverkehrsabgabe, nur in prädikatisierten Kur- und Erholungsorten möglich. Doch auch auf benachbarte, nicht prädikatisierte Gemeinden wirkt die touristische Entwicklung, vor allem in der Ferienzeit. Erhöhtes Verkehrsaufkommen, lange Wartezeiten, belastete Infrastrukturen, Engpässe auf dem Wohnungsmarkt. Im regionalen Bezug müssen diese Folgen auch als Leistung – als Dienstleistung – bewertet werden können.
Die Erhöhung der Akzeptanz des Tourismus als wirtschaftliche Grundlage für die Entwicklung ganzer Regionen benötigt geeignete Instrumente und die Initiative vor Ort. Diese sollen durch die Ausweisung von Modellregionen – in denen die angesprochenen Probleme behandelt und Lösungsansätze wirksam erprobt werden sollen – angegangen werden. Gegenseitige Anerkennung von Kurkarten, die Befreiung beziehungsweise Entlastung der Einwohner und die Entwicklung zusätzlicher Vorteile, zum Beispiel bei der Nutzung und Attraktivierung des Nahverkehrs, sind hier erste Aufgabenstellungen. Die verbesserte Vernetzung zwischen touristischen Anbietern und der gleichzeitig gebündelte Mehrwert für den Gast sind nicht nur als Marketinginstrument zu verstehen, sondern können auch neue finanzielle Wege für Gemeinden aufzeigen. Erhebungsgebiete zur vereinfachten Pflege und Finanzierung der touristischen Infrastrukturen sind hier ein weiterer Ansatzpunkt.
Regionale Initiativen und konkrete Umsetzungsvorschläge sind die Grundlage, mit denen die Steuerungsgruppe und das Umsetzungsmanagement dann ressortübergreifend Lösungen anbieten. In den Modellregionen sollen die benannten neuen Finanzierungsinstrumente sowie die interkommunale Zusammenarbeit in der Praxis erprobt und vom Wirtschaftsministerium unterstützt werden.
In den bereichsübergreifenden Strategiefeldern Digitalisierung, Internationalisierung und Nachhaltigkeit greifen erste Maßnahmen. Im Strategiefeld Digitalisierung hat die Landesregierung eine europaweite Ausschreibung zur Errichtung beziehungsweise Installation von WLAN-Hot-Spots im Land veröffentlicht. In einer vorangegangenen Machbarkeitsstudie wurden 234 touristische Standorte ermittelt, an denen solche bereits errichtet wurden beziehungsweise noch errichtet werden sollen.
Ein weiterer Fortschritt ist der elektronische Meldeschein. Anders als bislang auf Papier notwendig kann der Gast künftig seine Unterschrift auf einem Pad leisten. Dies spart Ressourcen und Verwaltungsaufwand. Mecklenburg-Vorpommern gilt hier bundesweit als Vorreiter. Weitere Stationen der ‚Customer Journey‘ werden durch die Digitalisierung optimiert. Noch wichtiger ist es aber für die Branche und das Umsetzungsmanagement, die Weiterentwicklung der Digitalisierung – die Digitalität – mitzudenken. Hier geht es um die Verbindung zwischen Technik und Mensch bei gleichzeitiger Wahrung der Balance zwischen analoger und digitaler Welt. Parallel sollen die Maßnahmen den Prinzipien der Nachhaltigkeit gerecht werden. Dabei geht es nicht nur um den ökologischen Aspekt – wobei dieser in Zeiten des meiner Meinung nach zumindest fachwissenschaftlich und pädagogisch zu Recht sehr verschieden zu bewertenden „Fridays for Future“ sicher der präsenteste ist – sondern auch um die ökonomische und soziale Komponente: gerechte Löhne, bezahlbarer Wohnraum, Work- Life-Balance, regionale Produkte seien hier nur als Stichworte genannt. Die Landesregierung folgt mit der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Schaffung von Mitarbeiterwohnungen in Tourismusschwerpunktgemeinden diesem Weg.Mit dieser erhalten Antragsteller einen Zuschuss von 600 Euro je Quadratmeter geschaffener Wohnfläche, maximal 500.000 Euro je Vorhaben. Damit bekommen Fachkräfte die Möglichkeit, am Arbeitsort auch zu leben. Antragsteller können ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern, die Akzeptanz ebenfalls.
Liebe Fachkolleginnen und Fachkollegen, liebe Leserinnen und Leser,
ein asiatisches Sprichwort sagt: Nur der tote Fisch schwimmt mit dem Fluss! Wir haben gemeinsam das Zeug dazu, lebendig, mutig und mit klarem Ziel gegen den Fluss des Stillstandes und gegen den Fluss des Eingerichtetseins anzuschwimmen. Bitte arbeiten Sie persönlich und konkret weiter mit am zukunftsfesten Wohlstand für alle Akteure, gleich ob Mitarbeiterin, Mitarbeiter, Unternehmerin oder Unternehmer. Wir waren noch nie so weit wie heute. Die Richtung stimmt!
Von Herzen Ihr Dr. Stefan Rudolph