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Freiraum für Kinder – vom Glück in der Natur zu spielen

05.10.2023

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7 min

Was können Tourismusverbände, Kommunen, Gastgebende und Freizeitanbietende tun, um das Draußenspielen zu fördern?

Wir leben in einer Zeit, in der die reale Welt mehr und mehr durch eine virtuelle Welt, eine digitale Welt ersetzt wird. Während noch vor ein paar Jahrzehnten das Draußenspielen eine Selbstverständlichkeit war, ist dafür heute zum einen durch die zunehmende Verstädterung und abnehmende Zahl von Frei- und Grünflächen, aber auch durch die schon bei Kindern verplante Freizeit nur noch wenig Raum. Statt dem freien Spiel in der Natur geht die Tendenz zu angeleiteten Tätigkeiten in geschützten Räumen. Dabei ist durch zahlreiche Studien bewiesen: Der Aufenthalt in der Natur fördert die kindliche Entwicklung. (Download: Studie der Konrad Adenauer Stiftung "Draußen spielen – ein unterschätzter Motor der kindlichen Entwicklung")

Warum ist Natur für Kinder wichtig?

Unterschiedliche Studien zeigen die positiven Auswirkungen auf die mentale, soziale und physische Entwicklung bei Kindern, dass das Wohlbefinden bei Kindern steigt, wenn sie sich in der Natur aufhalten (Vgl. van den Berg & van den Berg 2011, A comparison of children with ADHD in a natural and built setting), dass sie sich selbstsicherer fühlen und ihr Selbstwertgefühl zunimmt. Und dass ihre Kreativität, Konzentration und Selbstständigkeit gestärkt werden wie auch eine psychologische Studie in Waldkindergärten in der Schweiz zeigte (www.waldkindergarten.ch/downloads/lizenziatsarbeitkindergaertenindernatur.pdf).
Auch das soziale Verhalten und die Sozialkompetenz verbessern sich, wenn Kinder viel in der Natur spielen. Ihre Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit gewinnt durch das intensive und kreative Spiel.

Kinder bewegen sich draußen mehr als in Innenräumen, was wiederum eine positive Wirkung auf ihr Körpergewicht und die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten hat: Gelenkigkeit, Koordinationsfähigkeit und Gleichgewichtssinn werden trainiert, die Risiken und eigenen Grenzen ausgelotet – insgesamt ein guter Effekt für die Gesundheit der Kinder. Gerade Urlaubssituationen bieten Kindern den besonderen Raum für Neues. Der Kontakt mit Wasser, ob im Meer oder See, um erste Erfahrungen mit dem Element zu sammeln oder schwimmen zu lernen, das unbekannte Gelände, um es neugierig zu erobern und beispielsweise balancieren zu lernen und vieles mehr. Aktuelle Studien gehen darüber hinaus davon aus, dass Bewegung und kognitives Lernen im Gehirn verknüpft sind. (https://www.sportwissenschaft.de/dvs/news/forum-sportwissenschaft-bildung-braucht-bewegung-am-17062022)

Ebenso hilft das Spielen in der Natur, diese kennen und schätzen zu lernen, und führt damit zu einer Entwicklung des Umweltbewusstseins bei Kindern (Vergleiche: Armin Lude, Naturerfahrung und Naturschutzbewusstsein, 2001). Mit den eigenen Erfahrungen können Kinder die Verflechtung von Mensch und Natur verstehen und daraus ihr eigenes Umwelthandeln ableiten.

Und das Beste: Die Beschäftigung in und mit der Natur ist nicht nur für die Entwicklung der Kinder förderlich, sondern sorgt auch für viel Spaß. Auch auf Erwachsene hat die Natur einen positiven Einfluss. Das kennen wir von eigenen Spaziergängen, Wandertouren oder dem Waldbaden. Erwiesenermaßen sinken Blutdruck und Puls, genauso wie der Cortisolgehalt im Blut – deutliche Zeichen für Entspannung (Vergleiche: Studie des Max-Planck-Instituts).

Schon wenige Minuten in der Natur reichen zudem, um unsere Konzentration und Stimmung zu steigern. Beste Voraussetzungen also, um ausreichend Freiraum für Urlaubskinder in Mecklenburg-Vorpommern auszuweisen.

Wie können wir (Urlaubs-)Kinder für die Natur begeistern?

Was können Tourismusverbände, Kommunen, Gastgeber und Freizeitanbieter tun, um das Draußenspielen zu fördern?

Draußen sein, das kann heißen, mit der Familie oder innerhalb eines Kinderprogramms zu spielen und die Natur angeleitet zu entdecken: Mit einer Schnitzeljagd, einem Waldbingo (Anleitung unter https://rosakrokodil.de/2022/06/02/waldbingo-wie-man-kinder-fuer-den-wald-begeistert) oder einer Schatzsuche, einer gemeinsamen Wanderung oder Radtour. Die natürliche Neugier wird auch durch Experimente und „Forschungsstationen“ befriedigt, ob angeleitet im Kinderprogramm oder durch Anregungen, die die Kinder oder Familien zusammen erproben können. (Beispiele unter www.bildungsserver-wald.de/bildungsmaterial oder Download: www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/WWF-Handbuch-Natur-Verbindet2020.pdf)

Noch mehr Abenteuer bieten Aktivitäten, bei denen es um das „Überleben“ in der Natur geht – vom Feuerholz sammeln und mit Feuerstahl entzünden, Nahrungsmittel suchen bis zur Übernachtung unter freiem Himmel. Solche kleinen Mikroabenteuer sind für Eltern und Kinder spannend und können von Tourismusverbänden oder Hotels durch das Bereitstellen von entsprechender Infrastruktur (Lagerplatz, Feuerstelle, Hängematten in Bäumen mit Aussicht auf den See oder das Meer usw.) gefördert werden. (Mehr dazu in Groß, Sven und Sand, Manuel: Draußen erleben! Abenteuer – Outdoor – Tourismus. UVK Verlag 2022)

Wichtig, damit Kinder sich alleine draußen bewegen und frei spielen können, ist ein großzügiges und auch sicheres Gelände. Mögliche Gefahrenquellen sind beispielsweise giftige Pflanzen, morsche Bäume oder Gewässer. Zudem sollte das Areal reizvoll gestaltet sein, sodass es viel zu entdecken gibt und alle Sinne angesprochen werden wie beispielsweise mit einem Kräutergarten oder einer Streuobstwiese, sodass die jungen Gäste die Umgebung auch schmecken und riechen können. Verstecke bieten viele Spielmöglichkeiten, ob Hecken, Mulden oder „verlassene“ Hütten.

Baumhäuser oder Hütten, Zelte, Tipis etc. laden zu geheimen Treffen abseits der Erwachsenenwelt ein. Sie können schon vorhanden sein oder selbst gestaltet bzw. weiterentwickelt werden, wie ein Waldsofa oder eine Laubhütte. Gut, wenn vieles bei Wind und Wetter zu nutzen ist und kreative Möglichkeiten zu unterschiedlichen Aktivitäten und Bewegungsabläufen bietet (www.gew.de/aktuelles/detailseite/weil-kinder-am-liebsten-draussen-spielen). Eine Möglichkeit zur Gestaltung des Außenbereichs ist ein Workshop zusammen mit Kindern – ob aus der Umgebung oder mit Urlaubsgästen – um so die Ideen der Kinder direkt mit einzubinden.

Um der zunehmenden Naturentfremdung von Kindern entgegenzuwirken, gibt es viele Anbieter, die in Ferien-Workshops Naturbildung vermitteln. Mit allen Sinnen wird dabei die Natur erlebt. Diese Angebote können bei den Anbietern „eingekauft“ werden (z. B. www.lili-claudius.de/workshops) oder die eigenen Mitarbeiter*innen bilden sich in dem Bereich fort. (z. B. Fort- und Weiterbildungssuche www.deutschewildtierstiftung.de/naturbildung/fort-und-weiterbildungsdatenbank)

Good Practice in MV

Das Thema „Kinder spielen draußen“ bietet sich für einen Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern geradezu an. Innerhalb des Qualitätsmanagement Familien beim Tourismusverband MV (TMV) gibt es viele Beispiele für solche Angebote.

  • Das Haus Wildtierland in Gehren bietet Naturworkshops für Kinder an, in denen sie die Natur kennen lernen können und aus unterschiedlichen Materialien Dinge anfertigen, ob im Rahmen einer Klassenfahrt oder im Familienurlaub. Auch das weitläufige Außengelände und die nähere Umgebung bieten sowohl Spielgeräte als auch viel Platz für freies Spiel an.
  • In Heringsdorf auf Usedom lädt der erste Kinderheilwald die kleinen Gäste zum Entdecken, Spielen und Entspannen ein: Der Kinderheilwald ist in unterschiedliche Bereiche gegliedert, wie bspw. den Sinneswald, den Bewegungsbereich, die Kommunikationszone und die Ruhe- und Kreativzone. Als Walddetektive begeben sich die Kinder auf Spurensuche und erfahren in der Bewegung durch den Wald viel über die Natur.
  • Im Klax Natur- und Umweltcamp in der Mecklenburgischen Schweiz lädt das weitläufige Areal zum Spielen und Toben ein. Übernachtet wird in Tipis, das Leben spielt sich draußen ab. Es gibt Angebote zum Erforschen der Lebensräume mit Experimenten, Naturerlebniswanderungen und zum Bauen und Basteln mit Naturmaterial. Der Tag klingt am Lagerfeuer aus.
  • Das Nationale Naturmonument Ivenacker Eichen bietet viel Platz und Anregung: Vom Baumkronenpfad bis zu den Wildgehegen und dem Naturerlebnispfad mit unterschiedlichen Erlebnisstationen.

Ein Blick in andere Regionen

  • Im österreichischen Hotel Kaiser setzt man auf die Natur als Spielort: Vom Naturbadeteich über den gestalteten Kaisergarten bis zum umliegenden Wald – alles kann und soll von den Kindern entdeckt und bespielt werden. Tipps für (Entdeckungs-)Spiele gibt es vom Hotel. (www.hotelkaiser.at/de/die-natur-ist-der-groesste-spielplatz-1.html)
  • Das Landhaus zur Ohe in Bayern hat sein Kinder- und Jugendprogramm auf Outdoor-Aktivitäten ausgelegt, egal wie das Wetter ist. Von der Familien-Olympiade über Walderkundung bis zu Crossfit und Bootcamp für die Größeren, das Programm findet draußen statt. Die nötige Kleidung von Matschhose bis Regenjacke gibt es auch zum Ausleihen. (www.landhaus-zur-ohe.de/de/outdoor-action.html)
  • In der Welt von Turisede gibt es geheime unterirdische Gänge zu entdecken, Baumhäuser zu erklettern und viele wunderliche Dinge, wie z. B. Waldgeister. Erweitert wird die Anlage durch eine Schwimmbrücke und Tiere, Wasserspiele und buchbare Angebote wie ein Escape Game, sodass Kinder und Erwachsene eine abwechslungsreiche Zeit verleben können. (www.turisede.com/freizeitpark/geheimgaenge.html)
  • Im Parkhotel Holzner gibt es einen Kinderparadies-Park mit großen Wiesen, alten Baumriesen und Blumenbeeten, wie geschaffen zum Verstecken Spielen sowie Abenteuer-Spielplatz und Tieren. (www.parkhotel-holzner.com/de/familien-kinder/kinderprogramm-ausstattung.html). Das Kinderprogramm führt die Kinder in die umliegende Natur und zum gemeinsamen Entdecken.
  • Der Erlebnispark Tripsdrill bietet neben den Achterbahnen auch ein Wildparadies, in dem neben einem Wildpark mit den unterschiedlichen Tieren, ein Barfußpfad, ein großer Abenteuerspielplatz und ein Walderlebnispfad zum Natur erleben einladen. (https://tripsdrill.de/de/wildparadies/spass-bildung/abenteuerspielplatz)

Viele der Zutaten gibt es in Mecklenburg-Vorpommern: Eine großartige Natur, Landschaften von Strand und Meer über Wald und Wiesen bis zu Seen und damit ideale Voraussetzungen, Kinder (und Eltern) wieder oder mehr für die Natur und das Land zu begeistern.

Literatur: