28.08.2023
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4 min
Strandhotel Ostseeblick, Hotel Boje 06 und Villa Usedom – mehr als 80 Jahre Familienhotelgeschichte.
Im Interview: Lisa Felicitas Wehrmann
Junior Managing Director Communication & Operations
Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern:
Ihre drei Hotels stehen alle unter der Familiendachmarke “Wehrmanns”. Welche Bedeutung kommt für Sie dem familiengeführten Unternehmen zu?
Lisa Felicitas Wehrmann:
Ich sage immer zu unserem Team: „Wie in jeder guten Familie kommt es vor, dass man nicht einer Meinung ist.“ Es ist vollkommen normal, Fehler zu machen und dann wieder aufeinander zuzugehen. Ich bin kein Fan von glattgebügelten Teams – das Schönste und Wichtigste, was man hat und in den Arbeitsalltag mitnehmen kann, ist Individualität. Eine Familie verbinden gemeinsame Werte, Liebe, Wohlwollen und Zeit, die Erinnerungen schafft. Wenn ich an Familie denke, fühle ich viel – warum sollte ich das zu Hause lassen, wenn ich zur Arbeit gehe? Ich liebe es, mit genau den Menschen zu arbeiten, mit denen ich es tagtäglich tun darf. Ich sehe das nicht als selbstverständlich, sollte man bei seiner Familie auch nicht.
TMV:
Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie und worauf legen Sie dabei besonderen Wert?
Wehrmann:
Nachhaltigkeit heißt für mich nicht, nur für eine Außenwirkung ein grünes Blatt an die Eingangstür zu kleben. Es ist eine ganzheitliche Einstellung. Wir leben einen respektvollen Umgang mit unseren Ressourcen und diese Ganzheitlichkeit wirkt sich positiv auf unser Team und letztendlich auch auf unsere Gäste aus. In unserem neuen "MEERness SPA" haben wir in vollautomatisierte, energiesparende Technik investiert. Wir arbeiten mit regionalen Partnern aus der Region zusammen, zum Beispiel bei Bauprojekten, und haben schon länger ein Blockheizkraftwerk in unseren Häusern – es gibt noch vieles mehr. Der Nachhaltigkeitsstammtisch hat unseren Blick erweitert und dazu beigetragen, dass wir Prozesse noch nachhaltiger gestalten wollen.
TMV:
Sie motivieren Ihre Gäste zur klimafreundlichen Anreise mit ÖPNV. Erkennen Sie eine verstärkte Nachfrage nachhaltiger Angebote?
Wehrmann:
Absolut! Leider sind unsere Rahmenbedingungen noch ausbaufähig. Wir können unsere Gäste motivieren – die Bahnanreise von sechs Stunden zum Beispiel von Berlin nach Heringsdorf, unflexible Zeiten und gegebenenfalls Schienenersatzverkehr sind aber sehr demotivierend. Bürgervertretungen sollten sich hier auch hinsichtlich der Tourismusakzeptanz stark machen. Davon stelle ich leider persönlich nichts fest. Polen oder Skandinavien sind uns weit voraus. Wir machen einiges richtig gut, wollen uns natürlich immer weiter verbessern. Gar nichts zu tun, ist in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen inakzeptabel.
TMV:
Welche weiteren Maßnahmen führen Sie durch, um Ihren Qualitätsansprüchen gerecht zu werden und diese weiterzuentwickeln?
Wehrmann:
Wir hinterfragen stets unsere Prozesse. Dabei unterziehen wir unser tägliches Handeln unterschiedlichen Parametern zum Beispiel Verschlankung von Prozessen, Verkürzung von Lieferketten und Produktionswegen, Papiervermeidung, Digitalisierung. Auf Qualitätssicherung und -entwicklung legen wir besonders wert, operative Exzellenz ist unser tägliches Mantra. Auch das ist für mich Nachhaltigkeit – ein Team zusammenzuhalten, indem man täglich gemeinsame Werte lebt und Prozesse hinterfragt, um sie zu verbessern. Dabei sollte man keinem Trend hinterherlaufen, sondern vielmehr zuhören. Was fragen unsere Gäste, was treibt die Branche an, wo gibt es neue Manufakturen oder Ideengeber aus unserem Land? Die Möglichkeiten sind da, manchmal sollte man einfach mal machen.
TMV:
Welche Ziele haben Sie sich in den nächsten drei bis fünf Jahren in den Bereichen Qualität und Nachhaltigkeit gesetzt? Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie dabei?
Wehrmann:
Ich persönlich möchte unsere E-Ladeinfrastruktur für Autos und Fahrräder verbessern, mehr Gäste dazu ermutigen, mit dem Rad oder einem E-Auto anzureisen. Auch möchten wir digitaler arbeiten – sei es in der Guest Journey oder beim Einkauf. Einen Meilenstein haben wir letztes Jahr mit der Digitalisierung unserer gesamten Buchhaltung erreicht. Unsere Ideen sind sehr vielfältig, manche davon sind Zukunftsmusik. Jede Herausforderung ist eine Chance und es ist wichtig, nicht an alten Gewohnheiten festzuhalten. Für mich ist es viel wichtiger eine Vision von dem zu haben, was einem von Herzen wichtig ist, was mich richtig bewegt und was ich bewegen kann. Unsere Branche hat so viel Herz – ich wünsche mir weniger Bürokratie und mehr Gestaltungsfreiraum.
TMV:
Was wünschen Sie sich für die touristische Entwicklung in der Region und was würden Sie gerne anderen Hotels ans Herz legen?
Wehrmann:
"Die Zukunft ist für Bands und nicht für Soloplayer“ – daran glaube ich zutiefst. Meine Präsidiumstätigkeit im Dehoga MV zeigt mir, wie wichtig Vernetzung ist. Es ist bereichernd, für eine gemeinsame Sache einzustehen und auch mal das eine oder andere Leid zu teilen. Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann ist es deutlich mehr Akzeptanz und Verständnis für unsere Branche – auf politischer und natürlich gesellschaftlicher Ebene. Ich glaube, das nachhaltige Qualität der Schlüssel für Akzeptanz ist – dies erfordert Konzepte und Ideen, die schnell ausgerollt werden können. Ich habe viel Verständnis für politische Grundvoraussetzungen, aber der zeitliche Faktor aus Sicht der wirtschaftlichen Akteure sollte gesehen werden. Wir brauchen in der Branche einen langen Atem, eine Vision, viel Energie und vor allem gute Kollegen.