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Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstandes der DZT

18.12.2019

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Die DZT stellt das Thema Barrierefreiheit immer wieder in den Fokus ihrer Marketingaktivitäten. Wo ordnen Sie Barrierefreiheit ein, und worin sehen Sie die Notwendigkeit, barrierefreie Angebote explizit zu vermarkten?

Die DNA der Marke Reiseland Deutschland hat die zentralen Elemente Städte & Kultur und Natur & Erholung. Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit sind im Markenkern ein integraler Bestandteil aller Produktlinien, die wir kontinuierlich kommunizieren.

Wie sehen Sie die Rolle der DZT bei diesem Themenkomplex?

Wir sind hier auf mehreren Ebenen aktiv. Zum einen ist das die internationale Produktkommunikation. Zum anderen haben wir im Laufe der Jahre ein großes Know-how entwickelt, das wir mit unseren Partnern teilen. Schließlich ist das Thema für fast alle touristischen Leistungsträger relevant.

Über welche Größenordnungen sprechen wir?

Barrierefreiheit, besser noch Inklusion, ist ein außerordentlich weitgefächertes Thema. Zum einen sprechen wir über Menschen mit zeitweiligen oder ständigen Einschränkungen ihrer Mobilität, mit funktionalen Beeinträchtigungen oder begrenzten kognitiven Fähigkeiten, die auf barrierefreie Angebote angewiesen sind. Die Weltgesundheitsorganisation spricht von etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung.

Barrierefreie Angebote werden aber auch für ältere Menschen immer häufiger essenziell. Bei den über 75-Jährigen liegt er um die 50 Prozent. Allein aufgrund der demografischen Entwicklung wird dieses Segment in den kommenden Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen. Dazu kommt, dass immer mehr ältere Menschen mobil sind und auf Reisen gehen.

Und schließlich geht es bei Barrierefreiheit auch um Komfort und Service für Alle. Laut einer Studie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie sind 15 Prozent der Reisenden auf barrierefreie Angebote angewiesen, ein Drittel findet sie zumindest hilfreich, für jeden bedeuten sie einen Komfortgewinn.

Das heißt, „Reisen für Alle“ hilft nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern tatsächlich „Allen“ – auch in der Produktgestaltung?

Ja, man kann es auch so ausdrücken: Barrierefreiheit ist praktisch angewendete absolute Orientierung am Kunden oder customer centrification. Wer beispielsweise sein eigenes Angebot aus der Sicht eines Rollstuhlfahrers kritisch beleuchtet, wird auch andere kritische Punkte in der Wegeführung entdecken und entsprechend komfortabler gestalten. Davon profitieren dann auch Familien mit Kinderwagen. Wer sich ernsthaft mit den Anforderungen leichter Sprache beschäftigt, kommuniziert automatisch besser, klarer und verständlicher.

Wie entwickelt sich die Nachfrage im Vergleich zu den Angeboten?

Da gibt es eine klare Korrelation. Wir haben schon aus den genannten demografischen Gründen eine steigende Nachfrage. Dazu kommt ein positives Image, das zusätzliche Nachfrage generiert. Das touristische Angebot für Menschen mit Anforderungen an Barrierefreiheit wächst entsprechend mit.

Wie sehen Sie Deutschland im Wettbewerb aufgestellt?

Die Wahrnehmung ist ausgesprochen positiv. Wir präsentieren uns regelmäßig auf internationalen Veranstaltungen und erhalten dort kontinuierlich Feedback, dass Deutschland über ein vielfältiges, glaubwürdiges und vor allem nachprüfbares barrierefreies Angebot verfügt. Eine ebenso positive Bewertung bekommen wir zu unseren Studienreisen, die wir für spezialisierte internationale Reiseveranstalter, Journalisten und Blogger anbieten.

Gibt es auf diesem Gebiet konkrete Neuerungen?

Wir haben in diesem Jahr einen echten Meilenstein setzen können. Seit 2011 haben wir uns im Projektbeirat des Informations- und Bewertungssystems „Reisen für Alle“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie finanziert wird, engagiert. Im Frühjahr wurden die ersten 2.200 zertifizierten Betriebe in einer Datenbank zusammengefasst und seitdem in unserem DZT-Portal www.germany.travel auf Deutsch und Englisch integriert.

Eine echte Neuerung ist, dass wir die passenden Inhalte der Datenbank mit dem weiteren Content der Seite verknüpfen. Wenn Sie beispielsweise über die Sehenswürdigkeiten einer Destination lesen, erhalten Sie mit einem Klick alle nach „Reisen für Alle“ zertifizierten touristischen Einrichtungen dieser Destination.

Pilotprojekt ist die Microsite „German Summer Cities 2020“, bei der wir dies gerade umsetzen. Damit ist die DZT wieder einmal in einer Pionierrolle.

Welche Maßstäbe gelten für die Zertifizierung?

Die Anforderungen wurden in mehrjähriger Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Projektbeirat entwickelt. Das Zertifizierungssystem umfasst Informationen, die vor Ort erhoben und geprüft werden. Die Prüfstelle, die beim Projektträger (DSFT) angesiedelt ist, bewertet die Daten anhand eines umfangreichen Kriterienkatalogs und vergibt die Kennzeichnung.

Wie geht es weiter?

Die Zahl der Betriebe, die sich zertifizieren lässt, wächst ständig. Unterdessen sind aber auch zahlreiche Regionen mit im Boot. Das gibt Betroffenen die Möglichkeit, sich schnell und komfortabel über Angebote zu ihren individuellen Anforderungen zu informieren.

Ein Landmark zum Thema ist der „Tag des barrierefreien Tourismus“.

Der „Tag des barrierefreien Tourismus“ hat sich als Veranstaltungsformat hervorragend etabliert. Hier ermöglichen wir Experten, Vertretern von Politik, touristischen Organisationen, Verbänden und Praktikern einen direkten Austausch. Wir werden auch 2020 am ITB-Freitag, dem 06. März, wieder in den City-Cube einladen und freuen uns auf einen intensiven Dialog.

Wie sehen Sie die Perspektiven für barrierefreie Angebote im Incoming?

Tourismus ist eine Wachstumsbranche. Davon können wir profitieren. Voraussetzung ist allerdings eine eindeutige Positionierung zur Nachhaltigkeit mit ihren Dimensionen Ökologie, Ökonomie und soziale Verantwortung. Teil dieser sozialen Verantwortung sind auch die Menschen, die Hilfe und Unterstützung beim Reisen benötigen.

Der Beitrag Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstandes der DZT erschien zuerst auf TN-Deutschland.